Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 26. März 2020, dass die gängige Formulierung der Widerrufsklausel in Verbraucherkreditverträgen ungenügend sei. Das Urteil gilt auch für Immobilienkreditverträge. Was das für euch bedeutet, hat Autorin Caro zusammengefasst.
Zahlreiche Kreditverträge stehen seit vergangener Woche auf der Kippe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat entschieden, dass eine gängige Formulierung in der Widerrufsklausel von vielen Kreditverträgen ungenügend sei. Dem Urteil war ein vierjähriger Rechtsstreit eines Immobilienbesitzers gegen seine örtliche Sparkasse vorausgegangen.
Um diese Formulierung geht es
Geklagt hatte der 42-jährige Diplom-Ingenieur Andreas Poß. Er schloss im Jahr 2012 eine Baufinanzierung über eine Sparkasse ab. Vier Jahre später wollte er diese widerrufen. Poß verdeutlichte bei den Gesprächen mit der Sparkasse, dass die Widerrufsformulierung nicht eindeutig sei und er deshalb auch vier Jahre nach Abschluss widerrufen könne. Die Bank verweigerte ihm sein Anliegen, woraufhin er in den gerichtlichen Kampf gegen die Sparkasse zog und vergangene Woche auch gewann.
Konkret geht es um folgenden Passus, der in zahlreichen Verbraucherkreditverträgen zwischen 2010 und 2016 vorkommt: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB […] erhalten hat“.
Was sind denn die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB? Ganz genau darum geht’s. Die Luxemburger Richter entschieden, dass diese Formulierung ungenügend sei. Widerrufsbedingungen müssen in „klarer und prägnanter Form“ angegeben werden, heißt es im Urteil. Man könne keinem Kreditnehmer zumuten, dass er sich eigenständig durch Gesetzesbücher wälzt und das dort formulierte auch versteht. Die beklagte Formulierung setzt dies aber voraus, und somit ist er zurück: der Widerrufsjoker.
Was bedeutet das Urteil genau?
Ganz konkret heißt das jetzt, dass Kreditverträge aufgrund der ungenügenden Klausel widerrufen werden können. Das betrifft neben regulären Verbraucherkrediten, auch Leasingverträge und Baufinanzierungen. Bei Leasing und Autokrediten sei das Vorgehen nach dem Urteil eindeutig: Es ist möglich, das Fahrzeug zurückzugeben und alle bisher gezahlten Raten erstattet zu bekommen. Baudarlehen hingegen können nun vermutlich auch außerhalb des Sonderkündigungsrechtes nach § 498 BGB widerrufen werden, heißt es im Magazin Handelsblatt.
Zu beachten ist allerdings, dass das Urteil nicht pauschal für alle Verträge gilt, sondern es immer einer juristischen Einzelfallprüfung bedarf. Das heißt: Jeder Kunde, der meint, dass er betroffen ist, muss selbst aktiv werden. Damit gehen zunächst Kosten einher, da in der Regel die Unterstützung eines Anwalts und der Weg vor Gericht notwendig sind. Und in der aktuellen Situation sollte auf jeden Fall ein weiterer Punkt bedacht werden: Bei einem Widerruf muss möglicherweise das alte Darlehen innerhalb von vier Wochen abgelöst werden. Das könnte während der Corona-Krise aufgrund der längeren Bearbeitungszeiten zu Problemen führen.
Anmerkung: Unsere Berater erteilen keine Rechtsberatung und können daher weder prüfen, ob ein Kunde einen Vertrag mit einer ungültigen Widerrufsklausel unterschrieben hat, noch eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten eines Widerrufs geben.
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hat zuletzt Möbel aufgemöbelt / konnte ihr Baufinanzierungs-Wissen noch nicht in der Praxis nutzen, hat es aber vor / ist seit 2018 Redakteurin bei Dr. Klein / hat Publizistik und Filmwissenschaft studiert / hat eine Vorliebe für Wortwitz / ihre Lieblingsmusik, Lieblingsklamotten, Lieblingsautos und ihr Mann sind aus den 70er-Jahren