Erbbau Erfahrungsberichte

Erbbaurecht – für wen kommt es in Frage? Zwei Erfahrungsberichte

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Von der Finanzierung bis zum Wiederverkauf birgt eine Erbbau-Immobilie einige Risiken. Durch den günstigeren Preis ergeben sich aber auch Chancen. Für wen also lohnt sich Erbpacht? Redakteurin Anne hat mit zwei Erbbaunehmern über ihre persönlichen Erfahrungen, die gelernten Lektionen und Tipps aus der Praxis gesprochen.

Bei unserer Immobiliensuche war es immer wieder das Gleiche: Wenn ein schönes Haus zu günstig war, um wahr zu sein, stand im Kleingedruckten etwas von Erbbau. Mh, Erbbau… da mussten wir erstmal recherchieren, was dahintersteckt und stellten fest – das Konzept des Erbbaurechts, umgangssprachlich auch Erbpacht genannt, klingt verlockend: Ein eigenes Heim bauen oder kaufen und sich dabei die Kosten für den teuren Grund und Boden sparen, indem man das Grundstück einfach mietet. Wir würden dann als Erbbaurechtsnehmer zwar Eigentümer der Immobilie, aber das Grundstück wäre gepachtet für einen vorab vereinbarten Zins.

Allerdings es gibt einen Haken: Das Erbbaurecht hat eine Ablaufzeit. In der Regel endet der Vertrag nach 50 bis 99 Jahren. Dann wird er verlängert oder das Bauwerk geht ins Eigentum des Erbbaurechtgebers über. Läuft der Erbbauvertrag aus, kann der Erbbaugeber die Immobilie für zwei Drittel des Verkehrswertes übernehmen. Beim Kauf einer Erbbau-Immobilie startet die Laufzeit in der Regel nicht von Neuem. Eine Erbbau-Immobilie als Altersvorsorge nutzen, sie vererben oder weiterverkaufen kann daher unter Umständen schwierig werden.

Auch bei der Finanzierung einer Erbbau-Immobilie gibt es Stolpersteine: Um ein Darlehen von der Bank dafür zu bekommen, ist eine Restlaufzeit von noch mindestens 40 Jahren Grundvoraussetzung. Da Erbbau-Immobilien einen geringeren Wert haben, bedeutet die Baufinanzierung auch für Banken ein höheres Risiko und sie fordern einen höheren Eigenkapitaleinsatz.

Für uns sprachen diese Gründe gegen den Kauf einer Erbbau-Immobilie. In meinem Bekanntenkreis treffe ich aber immer wieder auf überzeugte Erbbaunehmer. Für wen also kommt das Konzept in Frage? Ich habe darüber mit zwei „Erbbaulern“ gesprochen – einer davon ist sogar Wiederholungstäter…

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„Erbbau als perfekte Einsteigerlösung“

Im Gespräch mit einer lieben Kollegin

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Erbbau Erfahrungsbericht Kollegin

Eine Kollegin (33), die hier lieber nicht namentlich genannt werden möchte, hat vor sieben Jahren ein Haus auf einem Erbbau-Grundstück gekauft und wohnt dort mit ihrer Familie.
Ihr Tipp:

„Aus meiner Erfahrung kann ich nur dazu raten, von vornherein Klarheit zu schaffen:
Ist das Grundstück zu verkaufen oder
wird es ausgeschlossen?“

Hausgemacht: Vor meiner Haussuche konnte ich mit dem Begriff „Erbbau“ nicht viel anfangen. Wie war das bei dir? Hattest du bereits Erfahrungen damit?

Kollegin:  Ja, ich bin in einer Familie groß geworden, wo Erbbaurecht Usus ist. Sowohl meine Eltern als auch meine Großeltern haben Häuser mit Erbbaugrundstücken. Das waren ehemaliges Ackerland und Kuhwiesen – das ist in unserer Gegend sehr häufig.

Hausgemacht: Und nun setzt ihr quasi die Tradition fort und habt auch ein Eigenheim mit Erbbau gekauft. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Kollegin: Wir haben vorher in der Innenstadt gewohnt. Anstatt die teuren Mieten zu zahlen, wollten wir lieber in ein eigenes Haus investieren. Der Kaufpreis war durch die Erbpacht viel geringer. Außerdem wollten wir nur ein paar Jahre dort wohnen bleiben. Ich war damals Mitte 20 und wir wollten erstmal schauen, wie wir mit der Belastung durch ein Haus und einen Garten klarkommen. Die Vertragslaufzeit für die Erbpacht betrug noch 80 Jahre – also kein Hindernis für uns, sondern für unsere Idee und unser Alter die beste Option.

Hausgemacht: War es für euch schwierig eine Finanzierung für die Immobilie zu bekommen?

Kollegin: Nein, das war bei uns kein Problem. Manche Banken schließen zwar Erbbau aus, aber es gab sowohl große Banken als auch regionale, die viel mit Erbbau zu tun haben und Finanzierungen dafür anbieten.

Hausgemacht: Nun sind ein paar Jahre ins Land gegangen. Ihr habt eine Familie gegründet. Hat sich eure Einstellung dazu geändert?

Kollegin: Tatsächlich wollen wir jetzt doch dort wohnen bleiben und versuchen, das Grundstück zu kaufen. Unsere Erbbaugeber sind Privatleute und wir haben uns bei den Nachbarn informiert, die die gleichen Erbbaugeber haben. Unsere Nachbarn haben alle das Grundstück gekauft. Also dachten wir, es wäre kein Problem. Das war allerdings leider naiv. Denn jetzt ist die Marktlage anders und die Besitzer wollen nicht mehr verkaufen.

Hausgemacht: Warum wollt ihr jetzt statt Erbbau doch lieber Eigenland haben?

Kollegin: Wir haben das Thema lange vor uns hergeschoben, weil wir dachten, dass wir nochmal woanders kaufen oder bauen. Wäre der Markt nicht so angespannt, dann würden wir das Haus verkaufen und außerhalb größer neu bauen. Wir haben ja geübt (lacht). Nun ist die Frage: Macht es Sinn das Grundstück zu kaufen? Nein, weil es so teuer geworden ist. Aber es ist auch eine emotionale Entscheidung – eigenes Land ist doch etwas Anderes. Außerdem werden jetzt die Kosten für den Erbbauzins erhöht. Der Erbbauzins ist an den Verbraucherpreisindex gebunden. Der hat sich sonst nur um ein paar Prozentpunkte bewegt, aber durch Corona hat er sich nun deutlich nach oben entwickelt und es wird für uns teurer. Wir werden also einen zweiten Versuch starten, mit den Besitzern über den Verkauf des Grundstücks zu sprechen.

Hausgemacht: Habt ihr auch sonst viel Abstimmungsbedarf mit den Besitzern? Bei Erbbaurecht gibt es ja einige Besonderheiten, bei denen sie mitbestimmen können…

Kollegin: Nein, das hatten wir sonst nicht. Wir haben unsere Erbbaugeber deswegen auch noch nie gesehen. Jetzt wollen wir aber eine freistehende Garage bauen und sind uns unsicher, was alles zu beachten ist. Man muss einen Bauantrag stellen – klar, aber was ist noch zu berücksichtigen? Brauchen wir die Genehmigung vom Erbbaurechtsgeber?

Hausgemacht: Wenn nun solche Hürden auftauchen, wie mit der Garage, dem Grundstückskauf etc., würdest du dann sagen „nie wieder Erbpacht“ und allen davon abraten?

Kollegin: Nein, es ist für mich nicht ausgeschlossen wieder eine Erbbau-Immobilie zu kaufen. Aber eine kurze Laufzeit wäre ein Ausschlusskriterium. Man hat eh schon so viel Risiko beim Hauskauf. Aber bei unserer langen Vertragslaufzeit habe ich mir gedacht, ich bin eh schon tot, wenn der Vertrag ausläuft (lacht). Erbbau ist kein Hindernis per se, aber wenn ich langfristig mit der Immobilie plane, würde ich es nicht machen. Ein Grund für Wohneigentum ist ja, dass man im Alter schuldenfrei sein und keine Mietkosten mehr haben will – und das hat man mit dem Erbbauzins so nicht. Und das Haus zu vererben kann schwierig werden. Aber heutzutage ist so ein Haus mehr Objekt für mich als für meine Kinder. Keiner von ihnen muss das Haus übernehmen. Das war früher anders: Meine Oma und meine Eltern wollten es gerne in der Familie behalten. Aber meine Kinder sollen sich da nicht verpflichtet fühlen. Wenn sie wollen, können sie gerne rausgehen und die Welt sehen.

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„Erbbau lohnt sich bei der Kapitalanlage – günstigerer Kaufpreis = höhere Rendite“

Im Gespräch mit Mehrfach-Erbbaunehmer Andreas

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Erbbau Erfahrungsbericht Andreas
Andreas Sichler (58) hat als erstes ein Reihenendhaus auf Erbpacht für sich erworben und dann noch vier weitere Erbbau-Immobilien als Kapitalanlage gekauft.
Sein Tipp:

„Es ist wichtig auf drei Dinge zu achten: die Länge der Laufzeit, die Höhe der Erbpacht und auf genug Eigenkapital. Und weil es bei der Finanzierung Hindernisse geben kann, sollte man mehr Zeit einplanen und auf jeden Fall Geduld mitbringen.“

Hausgemacht: Sie sind ein Wiederholungstäter in Sachen Erbbau und haben mittlerweile fünf Erbbau-Immobilien. Wie kam es dazu?

Andreas:  Ich habe ein Haus in Göttingen gesucht. Das ist eine akademische Stadt, die stark gewachsen ist und wo die Immobilienlange entsprechend angespannt ist. Da ist es schwierig, ein Grundstück zu bekommen. Neu erschlossene Grundstücke sind viel auf Erbpacht. Bei den hohen Grundstückspreisen in dieser Gegend hätte ich auch sonst kein Grundstück kaufen und finanzieren können. Ich habe dann ein Reihenendhaus im Neubaugebiet auf Erbpacht erworben – nicht ganz im Bewusstsein, wie viel die Erbpacht kostet. Die ist dort sehr teuer…

Hausgemacht: Gab es auch sonst Aspekte bei der Erbpacht, die Sie nicht auf dem Schirm hatten?

Andreas: Viele wissen nicht, dass bei Erbbau auch Grunderwerbsteuer anfällt. Die Höhe der Steuer hängt auch von der Restlaufzeit des Erbbauvertrages ab. Bei einer langen Laufzeit ergeben sich hohe Kosten. Das hatte ich erst gar nicht so eingeplant.

Hausgemacht: Wie waren sonst Ihre Erfahrungen mit der Finanzierung einer Erbbau-Immobilie?

Andreas: Eine Finanzierung mit Erbbau ist schon deutlich schwieriger. Schon beim Kauf war die Zustimmung vom Eigentümer erforderlich. Ich wollte eigentlich 75 Prozent finanzieren, aber ich durfte die Immobilie nur bis 2/3 beleihen. Das hatte auch Auswirkungen auf den Bauzins: Dadurch, dass die Darlehenssumme kleiner wurde, ist der Zins höher geworden. Und bei der Anschlussfinanzierung kam die nächste Herausforderung: Ich wollte die Bank wechseln und brauchte dafür die Zustimmung des Eigentümers. Das war eine schwierige Abstimmung…

Hausgemacht: Und trotz dieser Hürden haben Sie weitere Erbbau-Immobilien erworben. Warum?

Andreas: Erbbau hat zwar einen höheren bürokratischen Aufwand, dessen muss man sich bewusst sein, aber den kann man gern in Kauf nehmen, wenn es dafür günstiger ist. Ich habe noch Erbbau-Wohnungen als Kapitalanlage erworben. Erbbau ist günstiger beim Kauf und dadurch habe ich nun eine höhere Rendite.

Hausgemacht: Sind für Sie auch die Zukunftsaussichten einer Erbbau-Immobilie relevant? Also, wenn die Laufzeit endet, ein Verkauf ansteht, sie vererbt werden soll…?

Andreas: Ich bin nicht der Typ, der nur einmal im Leben ein Haus baut. Ich schaue, ob es mir dort gefällt und wenn ich es nicht mehr mag, dann ziehe ich weiter. Ich denke daher schon an die Probleme beim Wiederverkauf und habe mehrmals versucht das Grundstück von meinem Haus zu kaufen, aber die Eigentümerin will nicht. Aus solchen Gründen achte ich immer darauf, dass die Laufzeit des Erpachtvertrages noch lang genug ist. Nur 20 Jahre Restlaufzeit käme für mich nicht in Frage.

Hausgemacht: Und denken Sie dabei auch an die nächste Generation oder ist vererben kein Thema für Sie?

Andreas: Doch, man muss an sich und an die nachfolgende Generation denken. Ich bin jetzt 58 Jahre alt und vermiete meine Wohnungen, die ich als Kapitalanlage gekauft habe, vielleicht noch 15-20 Jahre. Dann möchte ich sie weitergeben. Meine Nachkommen sind dann etwa 50 Jahre alt und vermieten dann wieder für 15-20 Jahre. Für mich ist daher ein Zeitfenster von 50 Jahren interessant. Und wenn ich nach Immobilien Ausschau halte, dann fällt mein erster Blick immer darauf, ob es Erbbau ist oder nicht, um es in meine Planung einzubeziehen.


Erbbau-Immobilie: Ja, nein vielleicht?


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