Kolumne Mehrgenerationenwohnen

Mehrgenerationenwohnen im Neubaugebiet: Wer zu spät kommt, den bestraft die Stadtentwicklungs-Gesellschaft.

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Auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück für ihr Mehrgenerationenhaus hat sich unsere Redakteurin Ilona diesmal ins Hamburger Neubaugebiet vorgewagt – und wurde von einer Horde Kaufwütiger überrascht, die ohne mit der Wimper zu zucken bereit war, Mondpreise für 08/15-Häuser zu zahlen. Ob sie sich da eingereiht hat, erfahrt ihr hier.

Als wir beschlossen, mit Mama in ein Mehrgenerationenhaus zu ziehen, dachte ich, dieses Projekt könnten wir ganz in Ruhe angehen. In Ruhe einen Haustyp aussuchen, in Ruhe über die Raumaufteilung nachdenken, in Ruhe nach einem Grundstück Ausschau halten, und die Baufinanzierung ganz gechillt auf die Beine stellen. So völlig ohne Druck. Was man eben so denkt, wenn man noch keine Ahnung hat.

Und dann holt einen ganz schnell die Realität ein: Mehrgenerationenwohnen im Neubaugebiet ist kein Wunschkonzert.

Die Liste der Dinge, von denen ich bisher bei diesem Projekt schon Abschied nehmen musste, wächst und gedeiht: Erst der Keller, dann das hübsche Fertighäuschen. Und jetzt steht auch noch das Einfamilienhaus-Grundstück im Neubaugebiet, das wir anvisiert haben, auf der Kippe.

Wie kommt’s? Ganz einfach: Es ist viel, viel, viel zu teuer. Und ich sag mal so: Niemand kauft gern einen vollkommen überteuerten Neubau, den er noch nicht mal annähernd nach seinen eigenen Wünschen gestalten kann. Genau darauf wäre das Ganze aber hinausgelaufen. Das Problem ist nämlich: Wie ich bereits andeutete, gibt es in dem Hamburger Stadtteil, in den wir ziehen müssen wollen, kaum noch freie Grundstücke. Die einzigen, noch verfügbaren Flächen liegen in einem Neubaugebiet, und da hockt eine Stadtentwicklungs-Gesellschaft bräsig drauf, wie auf einem Schatz. Sie besitzt diese Grundstücke und veräußert sie nach und nach bauabschnittweise. Die liebe Stadtentwicklungs-Gesellschaft gibt Dir das Grundstück aber nicht einfach bedingungslos. Nein, natürlich nicht. Sie hat einen ganzen Katalog an Voraussetzungen erstellt, die das Haus erfüllen muss, das Du drauf bauen möchtest.

Von A wie Anthrazit bis D wie Dachüberstände: Die Stadtentwicklungs-Gesellschaft hat genaue Vorstellungen.

Im Beratungstermin bei der Stadtentwicklungs-Gesellschaft wurde uns ein Hauskatalog unter die Nase gehalten. Er enthielt so etwa 30-40 Haustypen, aus denen wir hätten auswählen können und die wir auf einem der Grundstücke hätten bauen dürfen. Klang erstmal ganz ordentlich. Aber bei näherem Hinsehen zeigte sich: Die Häuser sahen fast alle gleich aus und waren auch fast alle identisch geschnitten:

  • Alle zwischen 120-150 qm groß (okay)
  • Anthrazitfarbene Fenster und Türen (na, wo kämen wir denn da auch hin, wenn es in einem einzigen Neubaugebiet verschiedenfarbige Fenster und Türen gäbe! Aber meinetwegen, ich mag Anthrazit, Hauptsache nicht Mintgrün)
  • Keine Dachüberstände (was ich persönlich nicht so schön finde, weil die Dächer dann so abgeschnitten aussehen, aber Schwamm drüber)
  • Offene Küchen, die in den Essbereich und ins Wohnzimmer übergehen (mag ich)
  • Kein Gästezimmer im Erdgeschoss (Manko-Alarm!)
  • Gäste-WC, manchmal mit Dusche (für uns ein Muss)
  • Hauswirtschaftsraum (hat ja niemand was gegen einzuwenden)
  • Kein Keller, natürlich (tiefer Seufzer)
  • Im ersten Stock großes Bad, Elternschlafzimmer, zwei Kinderzimmer (Standard)
  • Manche hatten oben noch eine Dachterrasse (crazy!)

Alles ganz nett, aber auch alles total nullachtfuffzehn.

Aber Mehrgenerationenwohnen im 08/15-Haus ist besser als kein Mehrgenerationenwohnen.

Das größere Problem war, dass sich die Grundrisse mal wieder nur minimal anpassen ließen. Es gab einfach unter all diesen 30-40 Haustypen nicht ein einziges Haus, das unsere Anforderungen ans Mehrgenerationenwohnen erfüllt hätte. Ein eigenes Zimmer mit Duschbad im Erdgeschoss – das kann doch nicht zu viel verlangt sein?! Doch, war es aber. Und dafür gingen die Herstellungskosten dieser Häuser erst bei 230.000 Euro los. „Gut“, sagte die Stadtentwicklungs-Gesellschaft, „wenn Dir das alles nicht passt, dann darfst Du, lieber Interessent, auch einen eigenen Architekten engagieren, der Dir dann ein anthrazit-weißes Haus ohne Dachüberstände aber mit passendem Grundriss entwirft. Der Entwurf muss dann aber natürlich erstmal von unserem gestrengen Bau-Ausschuss genehmigt werden.“ Natürlich. Heißt mit anderen Worten: Das Ganze ist teuer und zeitaufwändig.

Und dabei haben wir noch gar nicht über die Grundstückspreise fürs Mehrgenerationenwohnen im Neubaugebiet gesprochen.

Die lagen nämlich bei satten 280 Euro pro Quadratmeter. Die Grundstücke waren alle so zwischen 480-1.000 Quadratmeter groß, da landet der Kaufpreis irgendwo zwischen 130.000 bis 280.000 Euro. Kein Pappenstiel. Ich fasse die Message der Stadtentwicklungs-Gesellschaft bis zu dieser Stelle noch mal zusammen: „Lieber Interessent, Du darfst uns herzlich gerne ein Grundstück für mindestens 130.000 Euro abkaufen, aber nur aus zirka 30-40 größtenteils gleich aussehenden Haustypen wählen, bei denen Du innen nicht mal drei Wände verschieben kannst. Und dafür kannst Du dann gern inklusive schlüsselfertigem Haus und Kaufnebenkosten summa summarum 650.000 Euro berappen.

Und das aber auch nur, wenn Du schnell genug bist.

Denn wir geben Dir gerade mal zwei Wochen Zeit, um Dich zu entscheiden“, sagte die Stadtentwicklungs-Gesellschaft dann noch freundlich lächelnd. Und fügte hinzu: „Am 13. März bringen wir den neuen Hauskatalog heraus, dann entscheidest Du Dich bitte subito für eine Hausvariante. Kauf Dir einen guten Wecker, denn am 25. März stehst Du dann bitte um Punkt 12 Uhr mit Deinen vollständigen Bewerbungsunterlagen bei uns auf der Matte. Ja, Du kannst die Bewerbung auch per E-Mail schicken, aber unser Server neigt erfahrungsgemäß dazu, um 12:01 Uhr ins die Knie zu gehen, also kommst Du lieber persönlich bei uns vorbei. Denn alle persönlich vorbei gebrachten Bewerbungen datieren wir auf den 25.03.2019, 12 Uhr. Und es geht dabei tatsächlich um die Minute! Bewirbst Du Dich per E-Mail, und geht diese E-Mail erst um 12:01 Uhr ein, und es hat sich zuvor jemand persönlich vor Ort um 12 Uhr um dasselbe Grundstück beworben, hast Du leider Pech gehabt. Dein Eigenkapital ist uns bei der Vergabe übrigens völlig wumpe, für uns zählt nur, ob Deine Bank für den Kauf grünes Licht gibt oder nicht. Dazu brauchen wir bloß eine aktuelle Finanzierungsvorabzusage, die in der Höhe den Kaufpreis abdeckt.“

Ende der Durchsage. Okay, möglicherweise hat sich die Stadtentwicklungs-Gesellschaft nicht exakt so ausgedrückt, aber so in etwa sind mir ihre Ansagen in Erinnerung geblieben. Da fragte ich mich doch spontan:

Wer lässt sich denn freiwillig auf so einen Irrsinn ein?

Ach, was war ich doch naiv. Denn die Antwort auf diese Frage lautete: Natürlich so ziemlich alle heutzutage! Der Witz ist nämlich, die Konkurrenz um diese Grundstücke ist trotz all der genannten Einschränkungen riesig. Das will mir einfach nicht in den Kopf: Wenn ich schon stolze 650.000 Euro für ein Eigenheim ausgebe, was für mich trotz Eigenkapital eine Menge Geld ist, dann möchte ich mich doch nicht auch noch von vorn bis hinten bevormunden lassen müssen, was die Gestaltung betrifft. Und dann auch noch so viel für ein Haus bezahlen, dessen realer Wert weit unter dem aktuellen Marktwert liegen dürfte.

Da waren T. und ich uns einig. Aber mit dieser Meinung standen wir wohl ziemlich alleine da. Am Tag der Bewerbung war für uns bereits lange klar, dass wir unseren Hut nicht in den Ring werfen würden. Im Nachhinein haben wir noch erfahren, dass sich letztlich auf jedes Grundstück mindestens zwei Parteien beworben haben. Eindrucksvoll untermalt wurde das Ganze im Newsletter der Stadtentwicklungs-Gesellschaft: Ein Foto zeigte die lange Schlange aus Verzweiflungstätern, die sich am 25. März bereits am frühen Vormittag vor den Eingangstoren gebildet hatte. Alle mit feinsäuberlich sortierten Bewerbungsunterlagen unter dem Arm. Brave Interessenten, ich wette, die Stadtentwicklungs-Gesellschaft war mächtig stolz auf Euch! (Mag sein, dass ich ein wenig sarkastisch klinge, aber was soll man dazu auch noch sagen!)

Mehrgenerationenwohnen im Neubau
Düstere Wolken über blühenden Neubaulandschaften: So wird das wohl nichts mit uns und dem Mehrgenerationenwohnen.

Und wie geht es nun weiter mit unserem Mehrgenerationenwohnen?

Es hat sich unverhofft noch eine allerletzte Chance für uns aufgetan, Fuß in diesem Neubaugebiet zu fassen. Eine weitere Vermarktungsgesellschaft wird dort im Mai 2019 Reihenhäuser anbieten, die prädestiniert fürs Mehrgenerationenwohnen zu sein scheinen. Diese Reihenhäuser bestehen aus jeweils zwei Wohneinheiten: Unten befindet sich eine kleinere Wohnung von 45 Quadratmetern und Zugang zum Garten, und im Obergeschoss gibt es eine größere Wohnung von etwa 85 Quadratmetern mit Dachterrasse. Und das zu einem halbwegs akzeptablen Preis von etwa 400.000 Euro plus Kaufnebenkosten.

Mehrgenerationenwohnen im Reihenhaus
Mehrgenerationenwohnen im Reihenhaus – ein klitzekleiner Hoffnungsschimmer tut sich auf.

Aber ich will mich noch nicht zu früh freuen, denn auch hier werden mich vermutlich eifrige Mitbewerber zum Vermarktungsstart mit vollständigen Bewerbungsunterlagen beiseite rempeln. Sollen sie nur – diesmal rempele ich mit! Nochmal stolpere ich nicht so unbedarft in dieses Mehrgenerationenwohnen-Projekt. Ich werde die Finanzierungsvorabzusage um Punkt Zwölfhundert wie aus der Pistole geschossen auf den Tisch knallen, wenn es nötig sein sollte. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!


Und beim nächsten Mal: Einmal günstige Zinsen, Sondertilgungsmöglichkeiten und eine rundum gelungene Finanzierung bitte – so stelle ich unsere Baufinanzierung auf.


Jetzt die eigene Baufinanzierung berechnen:

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