Zinskommentar Mai 2019: Tief, tiefer, Bauzinsen
Die deutsche Wirtschaft legte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,4 Prozent zu, die ohnehin schon niedrigen Bauzinsen sinken weiter. Im aktuellen Zinskommentar zeigen wir, was das für Verbraucher bedeutet.
Baubranche und konsumfreudige Verbraucher sorgen für Aufschwung
Die vergangenen Monate waren geprägt von unzähligen negativen Wirtschaftsmeldungen. Umso überraschender kam die Meldung des Statistischen Bundesamtes am 15. Mai: Die deutsche Wirtschaft legte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,4 Prozent zu. Verantwortlich für das Wachstum sind vor allem die Baubranche und konsumfreudige Verbraucher. Wer jetzt auf eine Rückkehr des Wirtschaftswachstums spekuliert, dürfte allerdings enttäuscht werden: Die positive Entwicklung ist vermutlich nur ein Ausreißer.
Bauwirtschaft: volle Auftragsbücher dank niedriger Bauzinsen
Dass die Bau- und Immobilienbranche boomt, ist angesichts der günstigen Finanzierungskonditionen nicht verwunderlich. 2018 war für die Baubranche ein gutes Jahr: Sie wuchs so stark wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Das rekordverdächtige Wachstum dürfte auch in diesem Jahr anhalten: Die aktuellen Bauzinsen erreichen von Woche zu Woche neue Tiefstände. Der Bestzins für 10-jährige Hypothekendarlehen pendelt sich bereits seit Februar dieses Jahres unterhalb der 1-Prozent-Marke ein.
Für Hausbauer sind das gute und schlechte Nachrichten: Zum einen können sie ein Darlehen zu extrem guten Konditionen aufnehmen und zahlen nur wenig Zinsen an die Bank. Zum anderen führt die hohe Nachfrage nach Neubauten und Bestandsimmobilien zu höheren Kauf- und Baupreisen. Und wer in letzter Zeit einen Handwerker gesucht hat, der weiß, dass dieser meistens lange auf sich warten lässt. Volle Auftragsbücher und fehlende Fachkräfte machen es dem Handwerk immer schwerer, die aktuelle Nachfrage zu bedienen.
Allerdings: Der Bauboom und das positive erste Quartal sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2019 insgesamt ein eher schwaches Jahr für die exportabhängige deutsche Wirtschaft werden dürfte. Die erneute Eskalation des Handelskonfliktes zwischen den USA und China sowie mögliche US-Strafzölle auf europäische Fahrzeuge wirken sich hierzulande besonders negativ aus. Hinzu kommt, dass die für Deutschland wichtige Automobilindustrie vor zahlreichen Herausforderungen steht und aktuell einen fundamentalen Wandel zu anderen Antriebstechniken und neuen Mobilitätskonzepten gestalten muss.
Die EZB, die niedrigen Zinsen und der fehlende Effekt
Seit Jahren hat die EZB ihre Geldschleusen gähnend weit geöffnet: billionenschwere Anleihekäufe, der Leitzins bei null Prozent, der Einlagezins sogar negativ. Nie zuvor war die Geldpolitik Europas so expansiv, doch trotz aller Maßnahmen bewegt sich die Inflationsrate nicht nennenswert auf die 2-Prozent-Zielmarke der Währungshüter zu. Dass die Wirtschaft seit Ende 2018 nach einer kurzen Phase der Erholung erneut schwächelt, versetzt die EZB in eine besonders schwierige Lage: Ein Anheben des Leitzinses wird in absehbarer Zeit nicht möglich sein. Im schlimmsten Fall werden sogar erneut zusätzliche Maßnahmen nötig werden, um die schwache Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Gleichzeitig werden die anhaltenden Niedrigzinsen zunehmend zum Problem für Banken und Privatpersonen. Wie auf der letzten Sitzung beschlossen, prüft die EZB daher aktuell, durch welche Maßnahmen sie notleidende Banken entlasten kann, beispielsweise durch Freibeträge bei den Strafzinsen. Den einzelnen Verbrauchern bringen solche Maßnahmen indes wenig: Sparen wird im Euroraum noch auf ziemliche lange Sicht nicht möglich sein. Der einzige Lichtblick für Konsumenten sind die enorm günstigen Kredit- und Bauzinsen.
Hat die Europawahl Einfluss auf die Baukreditzinsen?
Noch bis zum Sonntag, den 26. Mai, wird in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewählt. Auch die Briten müssen den Gang zur Wahlurne antreten. Bis zuletzt hatte Premierministerin Theresa May erfolglos versucht, die Wahlteilnahme zu verhindern. Jetzt mussten die Briten im Eiltempo nicht nur die Wahl selbst, sondern auch den Wahlkampf organisieren. Die voraussichtliche Folge des Brexit-Chaos: Die Briten strafen sowohl die regierenden Tories als auch die Oppositionspartei Labour ab und geben der neu gegründeten Brexit-Partei ihre Stimme. Kommt es tatsächlich so, dann ziehen damit zahlreiche erbitterte EU-Gegner zumindest vorübergehend ins EU-Parlament ein. Bis zum Austritt könnten sie wichtige Entscheidungen, etwa über den Haushalt oder die Wahl der neuen EU-Kommission, blockieren und die EU damit lähmen.
Gleichzeitig lassen auch Umfragen in anderen Mitgliedstaaten ein Erstarken der rechten und europakritischen Parteien erahnen. Einen gewissen Zulauf der rechtsextremen Parteien haben die Finanzmärkte allerdings bereits eingepreist. Sofern es nicht zu unerwarteten hohen Zuwächsen der Populisten kommt, ist der Einfluss auf die Finanzmärkte und damit auch auf die aktuell ohnehin niedrigen Baukreditzinsen daher überschaubar .
Niedrige Baukreditzinsen erreichen Allzeittief
Anfang Mai schien sich die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe zu erholen und erreichte für wenige Tage sogar den leicht positiven Bereich. Am 14. Mai fiel sie allerdings mit -0,06 Prozent erneut auf einen Tiefstand. Der aktuelle Zinssatz beim Bestzins 10-jähriger Hypothekendarlehen orientiert sich an der Rendite der Bundesanleihe und sinkt daher ebenfalls: Mit aktuell 0,68 Prozent sind die Bauzinsen nun wieder auf ihrem Allzeittief vom Oktober 2016 angekommen. Das heißt: Niedriger als jetzt waren die Zinsen für ein Immobiliendarlehen noch nie. Und: Dieser Tiefstand hält bereits über Monate an. Seit Februar liegt der Bestzins konstant unterhalb der 1-Prozent-Marke. Wer sich angesichts der niedrigen Baukreditzinsen für eine Immobilie interessiert, sollte sich aber nicht von den guten Konditionen blenden lassen: Ob sich der Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung lohnt, hängt vor allem vom Immobilienpreis ab.