Ausgeschrieben lässt sich die Zahl kaum lesen: 1.350.000.000.000. In Worten lautet der Betrag 1,35 Billionen Euro. So viel investiert die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Folgen der Corona-Krise. Hinzu kommen umfangreiche Rettungs- und Konjunkturpakete der Euro-Staaten. Was sind die langfristigen Folgen dieser Maßnahmen und der massiven Neuverschuldung? Welche Auswirkungen haben sie auf Bauzinsen und Immobilienpreise? Das erörtern wir im aktuellen Zinskommentar!
Aktuelle EZB-Sitzung: Billionenspritze gegen die Krise
Die EZB flutet den Euroraum seit vielen Jahren mit billigem Geld. Auf ihrer Sitzung am Donnerstag (04.06.2020) haben die Währungshüter ihre Konjunktur-Bazooka noch einmal nachgeladen und damit sogar die Erwartungen der meisten Wirtschaftsexperten übertroffen: Die EZB stockte das eigentlich auf 750 Milliarden Euro begrenzte Krisenprogramm (PEPP) um weitere 600 Milliarden Euro auf.
Der Grund dafür ist folgender: Die europäische Notenbank will einen weiteren Wirtschaftseinbruch abwenden und die Preisstabilität sicherstellen. Als stabil gilt, wenn die Verbraucherpreise um annähernd 2 Prozent steigen. Aufgrund des niedrigen Ölpreises und der schwachen Nachfrage stieg die Inflation im Mai allerdings nur noch um 0,1 Prozent. Auch in den Jahren zuvor erreichte die Inflation trotz aller Maßnahmen nicht die gewünschte Zielmarke. Doch anders als ihr Vorgänger Mario Draghi betont Christine Lagarde bereits seit Beginn ihrer Amtszeit Ende 2019, wie wichtig es ist, dass die Euroländer fiskalpolitische Maßnahmen ergreifen und zukunftsorientierte Reformen umsetzen. Und tatsächlich reagieren in der aktuellen Krise auch die Nationalstaaten mit umfangreichen Rettungs- und Konjunkturpaketen.
Wenn die Konjunktur langsam wieder an Fahrt aufnimmt und gleichzeitig die enorme Liquiditätsschwemme im Markt verbleibt, wird das zu steigenden Preisen führen.
Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein
Nationale Konjunkturpakete und ihre Folgen
Das gerade beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung hat ein Volumen von 130 Milliarden Euro. Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein, hält die massiven staatlichen Hilfen in der aktuellen Situation grundsätzlich für zielführend: „Die Politik muss jetzt viel Geld in die Hand nehmen und darf auf keinen Fall in der Krise sparen.“ Anders als die geldpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre, kommen die aktuellen Hilfen aller Voraussicht nach direkt in der Realwirtschaft an.
Nach der Corona-Krise könnte daher die Inflation anziehen, meint Michael Neumann: „Die geldpolitischen Maßnahmen während und nach der Euro-Krise sind kaum in der Realwirtschaft angekommen, sondern zu einem großen Teil im Finanzkreislauf geblieben. Das billige Geld wurde von vielen Unternehmen dazu genutzt, eigene Aktien zu erwerben und nicht in die Produktion investiert. Die aktuellen Konjunkturhilfen dagegen sind deutlich zielgerichteter und fließen zu einem großen Teil direkt in die Realwirtschaft. Wenn die Konjunktur langsam wieder an Fahrt aufnimmt und gleichzeitig die enorme Liquiditätsschwemme im Markt verbleibt, wird das zu steigenden Preisen führen.“ Eine galoppierende Inflation hält er allerdings für unwahrscheinlich.
Die Maßnahmen dürfen sich jetzt nicht an Lobby-Interessen orientieren, sondern müssen konsequent bei zukunftsfähigen Unternehmen und Wirtschaftsbereichen ankommen.
Michael Neumann
Doch so sinnvoll und wichtig die aktuellen Hilfsprogramme aktuell auch sind, klar ist: Sie werden langfristige Folgen haben und zukünftige Generationen belasten. „Die Politik traut sich nicht, einige unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Der Wirtschaftseinbruch durch die Corona-Krise und die daraus resultierende massive Neuverschuldung wird zukünftige Generationen zwangsläufig belasten. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass staatliche Leistungen wie die gesetzliche Rente langfristig in der Höhe ausgezahlt werden können, wie es die Politik aktuell noch suggeriert“, meint Michael Neumann. Aus diesem Grund sei es besonders wichtig, dass das Konjunkturpaket zukunftsorientiert und nachhaltig gestaltet ist. Nur so könne die deutsche Wirtschaft gestärkt und gut aufgestellt aus der Krise gehen. „Die Maßnahmen dürfen sich jetzt nicht an Lobby-Interessen orientieren, sondern müssen konsequent bei zukunftsfähigen Unternehmen und Wirtschaftsbereichen ankommen“, erklärt Michael Neumann.
Bauzinsen steigen, Zinswende bleibt unwahrscheinlich
Eine aktuelle Prognose des Ifo-Instituts geht davon aus, dass sich die Wirtschaft schon im nächsten Jahr deutlich erholen wird. Für das laufende Jahr rechnet das Institut zwar mit einem Einbruch von 6,6 Prozent. Im kommenden Jahr könnte die Wirtschaft dann aber um 10,2 Prozent wachsen. Was bedeutet das für die Zinsen? Werden sie steigen, wenn die Wirtschaft wieder wächst und die Inflation anzieht? Eher nicht, meint Michael Neumann: „Hoch verschuldete Euro-Staaten wie Italien könnten bei steigenden Zinsen ihre Schulden nicht zurückzahlen. Um die Stabilität der gesamten Euro-Zone zu gewährleisten, wird die EZB deswegen alles dafür tun, einen Zinsanstieg vorerst zu verhindern.“ Für alle, die auch nach Jahren der Niedrigzinsen weiterhin an ihren Sparbüchern festhalten wollen, sind das keine guten Nachrichten: Sollte zu den aktuellen Niedrigzinsen auch noch eine stärkere Inflation hinzukommen, wird das Geld in den Sparstrümpfen noch schneller entwertet als bisher.
Dass auch die Märkte von einem langfristig niedrigen Zinsniveau ausgehen, lässt sich unter anderem an den Konditionen für lange Zinsbindungen ablesen. Aktuell erhalten Kreditnehmer ein Baudarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung ab 0,41 Prozent, bei 15 Jahren sind es 0,71 Prozent und bei 20 Jahren 0,99 Prozent. Nachdem die Bauzinsen zuletzt leicht gestiegen waren, verharren sie seit Mitte Mai auf diesem etwas höheren Niveau.
Bauzinsen und Immobilienpreise: Wie geht es weiter?
Auch die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe pendelt in den vergangenen Wochen recht stabil um -0,5 Prozent. Michael Neumann erwartet daher in der nächsten Zeit nur eine geringe Bewegung der Bauzinsen: „Auf mittlere Sicht ist ein leichter Anstieg möglich. Die EZB wird das Zinsniveau allerdings insgesamt niedrig halten, sodass wir auch langfristig mit einem extrem günstigen Zinsniveau rechnen können.“
Das Problem an der anhaltenden Niedrigzinsphase: Die Nachfrage nach Immobilien wird kaum zurückgehen und zu weiter steigenden Immobilienpreisen führen. Die von manchen erwartete – oder erhoffte – Entspannung auf dem Immobilienmarkt wird zunehmend unwahrscheinlicher.
Wie entwickeln sich die aktuellen Bauzinsen?

lässt lieber den Freund hausmachen / ist Bauernhofkind und echtes Nordlicht / hat in Osnabrück Geographie studiert / wollte eigentlich Zirkusakrobatin werden, arbeitet jetzt aber als PR-Managerin für Dr. Klein / findet Finanzthemen mittlerweile erschreckend interessant / mag starken Kaffee, schlechte Witze und Käsekuchen