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Immobilienschätzung: „Es stehen auch jeden Tag Unvernünftige auf und bieten mehr!“

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Die Immobilienpreise steigen und steigen: Kann man da als Verkäufer momentan überhaupt was falsch machen beim Preis? Ja, kann man, sagt Immobilien-Gutachterin Stephanie Schäfer und gibt in Folge zwei unseres Interviews Tipps, wie Verkäufer den richtigen Kaufpreis finden.

Stephanie Schäfer ist öffentlich bestellte Immobiliengutachterin aus Rheinbach bei Bonn. Sie betreibt einen eigenen Youtube-Kanal: „Immobilien verständlich„. Im ersten Teil unseres Interviews haben wir darüber gesprochen, wie Käufer Sicherheit in Sachen „Ist der Kaufpreis angemessen?“ bekommen. Im zweiten Teil geht es nun um die Gegenseite und die Frage, wie Verkäufer am besten beim Ansetzen des Immobilienpreises vorgehen.

Hausgemacht: Frau Schäfer, wenn ich ein Haus verkaufen will und nicht sicher bin, wie hoch ich den Preis ansetzen kann, wen frage ich da am besten? Reicht es für Verkäufer nicht auch aus, den Makler den Preis schätzen zu lassen, oder brauche ich da immer einen Gutachter?

Stephanie Schäfer: In der Regel können Makler den Preis gut schätzen, da sie sich tagtäglich mit dem Markt befassen. Viele Makler spezialisieren sich heutzutage durch extra Studiengänge auf die Bewertung von Immobilien. Für einen normalen Verkauf reicht ihr Know-how vollkommen aus. Lassen Sie mehrere Makler durchs Haus gehen und den Preis schätzen, bevor Sie als Verkäufer mit einem Makler einen Maklervertrag abschließen. Dass sich die Preisschätzungen unterscheiden, ist auch normal. Bei Verkäufen schwanken die erzielten Verkaufspreise untereinander auch sehr stark. Eine Punktlandung ist unrealistisch.

Hausgemacht: Dann kann ich doch einfach den Makler mit der höchsten Preisschätzung nehmen?

Stephanie Schäfer: Nicht unbedingt. Viele Eigentümer fallen auf zu hohe Preisschätzungen rein. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten: Nicht der Makler bietet einen Kaufpreis, sondern der Kaufpreis wird am Markt gemacht, und der Makler realisiert ihn nur.

Mein Praxistipp lautet deshalb:

Auf das eigene Bauchgefühl hören! Nicht unbedingt den Makler mit der niedrigsten Schätzung und nicht den mit der höchsten nehmen, sondern vielleicht eher den im Mittelfeld, bei dem man gleichzeitig den Eindruck hat, der gibt sich Mühe.

Hausgemacht: Und wann sollte ich als Verkäufer einen Gutachter zum Hauskauf hinzuziehen?

Stephanie Schäfer: Die Bewertung eines Maklers ist nie so detailliert wie ein Gutachten von einem öffentlich bestellten Gutachter. Und vor allem ist sie nicht rechtssicher. Bin ich aber als Verkäufer sehr unsicher, weil meine Immobilie viele Probleme hat, und habe Angst, dass ich nachher vom Käufer verklagt werde, weil ich angeblich Mängel verschwiegen und die Immobilie zu teuer verkauft habe – dann hilft mir ein Gutachter mit einem Wertgutachten weiter, denn damit bin ich rechtlich von vorneherein auf der sicheren Seite. Und ich bekomme auch noch eine genaue Schätzung, wie viel ich für die Immobilie nehmen kann, dazu.

Hausgemacht: Was machen Gutachter bei der Immobilienbewertung denn anders als Makler?

Stephanie Schäfer: Der wichtigste Unterschied zwischen Makler und Gutachter: Das, was die Makler nur im Bauch haben, analysiert der Gutachter ganz genau. Dies wird sehr ausführlich untersucht und auch im Gutachten dokumentiert. Der Leser muss jeden Punkt nachvollziehen können. So ein Gutachten kann einige Zeit in der Erstellung dauern. Eine Maklerschätzung soll hingegen sehr schnell abgegeben werden und kann den Aufwand nicht erbringen, was auch in Ordnung ist.

Hausgemacht: Dann sind regionale Kenntnisse auch für einen Gutachter sehr wichtig, oder?

Stephanie Schäfer: Genau. Wenn mich Leute in Rheinbach (bei Bonn, Anm. d. Red.) anrufen und fragen, ob ich ihr Haus in Hamburg schätzen kann, muss ich leider sagen: Tut mir leid, aber ein Gutachter muss den Markt kennen, die Stadtteile, das Umfeld. Natürlich kann man sich das Wissen darüber auch auf dem Papier anlesen, aber man hat nicht dasselbe Bauchgefühl bei der Beurteilung einer Immobilie.

Gutachter berechnen ein Haus nicht nur nach Steinen und Kosten, sondern auch danach, wie der Markt auf die Immobilie reagiert. Das richtig einzuschätzen lernt man durch die Berufserfahrung. Dann gibt man eine Empfehlung ab: Im Gutachten wird ein Marktwert für Vernünftige genannt, aber es stehen auch jeden Tag Unvernünftige auf und bieten mehr.

Hausgemacht: Kann ich den Preis denn überhaupt zu hoch ansetzen?

Stephanie Schäfer: Ja. Wenn Sie den Preis zu hoch ansetzen, merken Sie das schnell, dann kommt nämlich keiner zur Besichtigung – auch in dieser überhitzten Zeit nicht. Startet man aber zu niedrig, ist es nicht ganz so schlimm. Derzeit überbieten sich die Kaufinteressenten. Somit landet man vermutlich sowieso beim Marktpreis. Nach oben ist im Moment ohnehin sehr viel Luft.

Hausgemacht: Wie gehen Sie bei der Wertschätzung genau vor?

Stephanie Schäfer: Für ein Wertgutachten ziehe ich verschiedene Quellen hinzu. Ich checke auch eventuell vorhandene Baulasten im Baulastenverzeichnis und Baugenehmigungen. Die Flächen im Haus werden von mir ausgemessen und nachgerechnet. Als öffentlich bestellte Gutachterin habe ich außerdem Zugriff auf richtige Kaufpreise, die man sonst nicht erhält. Somit weiß ich, wie hoch am Markt verkauft wurde.

Hausgemacht: Was heißt das, Sie haben Zugriff auf richtige Kaufpreise?

Stephanie Schäfer: Jeder Kaufvertrag sollte vom Notar an den örtlichen Gutachterausschuss geschickt werden. Das machen die nicht immer, aber eigentlich sind Notariate dazu verpflichtet. Der Gutachterausschuss sammelt im Vorfeld bereits die Angebote von allen Objekten, druckt auch die Inserate von Immobilienportalen vorsorglich aus und wartet dann, bis der spätere Kaufvertrag zu dem entsprechenden Angebot irgendwann eingeht.

Sobald der Kaufpreis bekannt ist, wertet der Gutachterausschuss genau aus, wie die Immobilie beschaffen war. Wie groß war sie, wie alt und was war bereits modernisiert. Das ist möglich, weil die Angebote in den Immobilienportalen sehr ausführlich beschrieben sind.

Somit rechnen sie aus echten Kaufpreisen und dem bekannten Zustand zurück. Damit kann man relativ genau sagen: Immobilien aus den 60ern mit soundsoviel Quadratmetern wurden durchschnittlich für soundsoviel Euro verkauft.

Hausgemacht: Wie kommen Sie an diese Daten dann ran?

Stephanie Schäfer: Als Gutachterin kann ich die Vergleichsobjekte mit genauer Anschrift und Kaufpreis beim Gutachterausschuss anfordern, muss aber dafür bezahlen. Ich frage an, ich habe hier ein Reihenhaus zum Beispiel aus dieser oder jener Gegend, haben Sie Vergleiche? Und dann erhalte ich die Werte, wenn welche verkauft wurden. Das sind die allerallerbesten Daten, weil die aus tatsächlichen Verkäufen stammen.

Hausgemacht: Was machen Sie dann mit diesen Daten?

Stephanie Schäfer: Zunächst einmal müssen diese Daten geheim bleiben. Wenn ich sie in mein Gutachten aufnehme, muss ich diese Daten anonymisieren. Die fließen dann in meine Schätzung ein.

Hausgemacht: Wie sehr dürfen sich Gutachter denn verschätzen?

Stephanie Schäfer: Abweichungen beim Immobilienwert von 10 Prozent nach oben und nach unten sind vor Gericht akzeptiert. Heißt bei einem Objektwert von 200.000 Euro: Es kann von 180.000 bis 220.000 Euro gehen, damit die Schätzung vor Gericht unangreifbar ist.

Hausgemacht: Und woran erkenne ich überhaupt einen qualifizierten Gutachter?

Stephanie Schäfer: Der Begriff „Sachverständiger“ ist leider nicht geschützt. So kann sich jeder nennen. Öffentlich bestellte Sachverständige sind die besten, aber auch die teuersten. Ich würde zuerst mal ganz einfach im Internet gucken, wie sieht die Homepage des Gutachters aus? Wenn die modern ist, gibt das schon mal einen ersten Hinweis darauf, dass der Gutachter sich auch mit modernen Methoden, zum Beispiel zur Datenanalyse, auskennt.

Dann würde ich mit dem Gutachter telefonieren. Man muss den Eindruck erhalten, der ist gründlich und genau, und der behandelt mich nicht von oben herab. Es gibt Gutachter, die schweben auf so einer Wolke. Wer möchte schon mit so jemandem zusammenarbeiten? Und dann sollte man den Gutachter fragen: Haben Sie Erfahrung vor Ort? Wie lange machen Sie das schon, und aus welchem Bereich kommen Sie?

Hausgemacht: Und dann gibt es ja auch noch so verschiedene Zertifikate, welche sind da ausschlaggebend?

Stephanie Schäfer: Es gibt verschiedene Zertifizierungsstellen: Die Deutsche Immobilienakademie (DIA) oder die Immobilienbewertungsfirma Sprengnetter zum Beispiel. Für Bankengutachter gibt es HypZert. Sie zertifizieren auf Grundlage der internationalen Norm DIN EN ISO/IEC 17024.

Hausgemacht: Was zeichnet diese Zertifizierung aus?

Stephanie Schäfer: Die ist ganz schön hart. Man muss sich alle fünf Jahre nachzertifizieren lassen. So bleibt man zwangsläufig mit seinem Wissen immer auf dem Laufenden. Hat ein Gutachter ein solches Zertifikat, musste er dafür sehr viel lernen und arbeiten, Rechtliches, Messverfahren, Bewertungsmethoden und so weiter. Man muss auch mehrere Gutachten zur Überprüfung abgeben, die einem bestimmten Schwierigkeitslevel entsprechen müssen und das Gutachten vor einem Fachgremium verteidigen.

Hausgemacht: Außerdem gibt es günstige Internetanbieter, die umfassende Gutachten zum Billigpreis anbieten. Wie schätzen Sie deren Angebot ein?

Stephanie Schäfer: Das sind so ganz grobe Gutachten, denn die gehen nur vom Angebotsmarkt und den Angebotspreisen aus. Solche Firmen haben, anders als Gutachter, keinen Zugriff auf die richtigen Kaufpreise. Deren Vorgehensweise ist sehr viel ungenauer. Oft finden auch nur Hochrechnungen von alten Kaufangebotspreisen statt, die reichen manchmal bis zu 5 oder 6 Jahre zurück. Das hilft Verkäufern wenig, da kann man besser selbst auf Immobilienportalen Preise recherchieren.

Hausgemacht: Vielen Dank für das Interview!


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