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Kind und Karriere – ein emanzipiertes Arbeitsmodell

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Über Kingyi haben wir bereits berichtet – eine taffe Frau, die trotz ungewöhnlichem Werdegang bereits mit 31 Jahren in den Vorstand berufen wurde. Nun hat Kingyi ihr erstes Kind bekommen und meistert Alltag und alle beruflichen Herausforderungen wie gehabt gekonnt souverän – mithilfe einer besonderen Arbeitsteilung.

Hausgemacht: Kingyi, du hast vor Kurzem dein erstes Kind bekommen und bist sehr schnell wieder in den Job eingestiegen, zum großen Teil arbeitest du sogar Vollzeit. Wie sieht dein Modell genau aus?

Kingyi: Genau, Ende Februar kam meine Tochter zur Welt. Ich war nach der Geburt 4 Monate zu Hause und habe im Anschluss 2 Monate lang Vollzeit gearbeitet. In der Zeit war mein Mann in Elternzeit. Danach hatte ich quasi wieder Pause, habe dabei aber 22 Stunden pro Woche gearbeitet. Wir wechseln uns also alle zwei Monate mit einem Vollzeit-Job ab. Mit diesem Modell kann ich das vereinbaren, was mir wichtig ist: Ich kann viel Zeit mit meiner Tochter verbringen und gleichzeitig die Entwicklung des Unternehmens vorantreiben. Aktuell bin ich hauptsächlich im Homeoffice, das ist natürlich auch der aktuellen Corona-Lage geschuldet.

Solange es gängig ist, dass der Mann mehr verdient, ist der Anreiz und die Selbstverständlichkeit gering, alternative Modelle umzusetzen.

Kingyi Fuchs

Hausgemacht: Das ist ein eher ungewöhnliches Modell. Wie seid ihr dazu gekommen?

Kingyi: Vorweg muss ich sagen, dass wir in einer privilegierten Situation sind, denn wir können es uns beide leisten, mit einem Gehalt die Familie zu ernähren und gleichzeitig Rücklagen zu bilden. Solange es gängig ist, dass der Mann mehr verdient, ist der Anreiz und die Selbstverständlichkeit gering, alternative Modelle umzusetzen. Bei uns läuft eigentlich alles gleichberechtigt ab. Daher war es für uns immer selbstverständlich, dass auch die Kinderbetreuung aufgeteilt wird. Ich habe außerdem schon früh gelernt, dass meine Zufriedenheit einfach nachlässt, wenn ich nicht arbeite, daher war für mich klar, dass ich gerne möglichst früh wieder arbeiten möchte. Ich brauche die Arbeit als emotionalen Ausgleich, mein Job macht mir einfach Spaß.

Hausgemacht: Du bist jetzt seit knapp drei Jahren im Vorstand von Dr. Klein. Wie haben dein Vorstandsteam und der Aufsichtsrat reagiert, als du erzählt hast, dass du Mutter wirst?

Kingyi: Die Reaktionen waren durchweg positiv. Ich habe direkt meinen Plan vorgestellt, wie ich das Ganze im Optimalfall gestalten möchte und wurde ermuntert, das Modell so zu fahren – das war wirklich toll. Kurz vor der Geburt habe ich schon eine Vertragsverlängerung angeboten bekommen, ohne dass der Aufsichtsrat und meine Vorstandskollegen wussten, wie es tatsächlich wird mit meinem neuen Arbeitsmodell. Das war ein super Gefühl, so viel Vertrauen entgegen gebracht zu bekommen.

Hausgemacht: Hattest du zwischenzeitlich mal Sorge, dass sich durch den Kinderwunsch Nachteile für deine Karriere ergeben könnten?

Elternzeit ist in einer Vorstandsrolle eigentlich gar nicht vorgesehen, nach gesetzlicher Regelung hätte ich nach acht Wochen wieder da sein müssen.

Kingyi Fuchs

Kingyi: Nein, da hatte ich keine Bedenken. Wir haben ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis untereinander im Vorstand und auch eine gute Verbindung zum Aufsichtsrat. Für mich war selbstverständlich, dass es irgendwie funktionieren muss – ich möchte es auch vorleben, dass Familie und Beruf vereinbar sind. Wenn es bei mir nicht funktioniert hätte, hätten wir vollkommen falsche Signale gesendet. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern muss dann auch gelebt werden, an allen Positionen. Ich bin mir aber auch bewusst, dass ich mit meinem beruflichen Umfeld großes Glück habe und dass nicht jeder so eine gute Ausgangsituation hat. Elternzeit ist in einer Vorstandsrolle eigentlich gar nicht vorgesehen, nach gesetzlicher Regelung hätte ich nach acht Wochen wieder da sein müssen, aber das haben wir dann über eine Freistellung geregelt, was alles andere als selbstverständlich ist. Hier braucht es meiner Meinung nach eine gesetzliche Anpassung: Vorstände und Vorständinnen sollten eine haftungsfreie Babypause machen können.

Hausgemacht: Das klingt, als wärst du das alles sehr entspannt angegangen?

Kingyi: Ich mache mir generell wenig Sorgen und habe eher die Einstellung „Ich kriege das schon hin“. Und wenn das Unternehmen mich aufgrund meiner Familienplanung nicht mehr gewollt hätte, wäre es auch nicht das Richtige für mich gewesen. Ich denke, Unternehmen machen einen Fehler, wenn sie Frauen das Leben schwer machen, nur weil sie gerade in einer anderen Lebensphase stecken. Aber dennoch müssen besonders Frauen – und erst recht Mütter, die mit einem anderen Arbeitszeitmodell arbeiten wollen – die Initiative selbst ergreifen. Bevor es an die Familienplanung geht, hilft es natürlich, sich darüber klar zu werden, ob das Modell der Gleichberechtigung mit Kind wirklich machbar oder überhaupt gewünscht ist. Beruflich ist es sinnvoll, das Zepter selbst in die Hand zu nehmen und vorab einen Plan zu schmieden, wie man sein Vorhaben verwirklichen will. Diesen sollte man dann auch selbstbewusst vertreten können.

Hausgemacht: Gibt es auch etwas, das dir schwerfällt?

Kingyi: Man weiß ja, bevor man sich für Nachwuchs entscheidet, dass Kinder das eigene Leben und den Alltag komplett auf den Kopf stellen. Es ist dann aber natürlich doch noch etwas anderes, wenn die Situation auf einmal da ist, das ist einfach eine riesige Umstellung. Mein Mann und ich mussten uns neu sortieren. Bevor unsere Tochter da war, hatte jeder seine klaren Aufgaben im Haushalt, da waren wir ziemlich 50/50 aufgestellt.  Wenn ich nun Vollzeit arbeite, kümmert mein Mann sich um alles. Da muss ich dann aber auch damit leben, dass er es anders macht als ich – es liegt nicht mehr in meiner Hand und ich muss lernen, Verantwortung abzugeben. Das war anfangs nicht ganz leicht und hier und da gab es dazu einige Diskussionen. Mir haben da berufliche Gewohnheiten sehr weitergeholfen. In der Holakratie arbeiten wir nach dem Prinzip der Selbstorganisation, Entscheidungen werden dort getroffen, wo sie anfallen, und wir schreiben niemandem vor, wie er oder sie die Arbeit zu verrichten hat. Seitdem ich im Vorstand bin, musste ich auch immer mehr operative Bereiche abgeben. Aufgrund dieser Erfahrung konnte ich mich privat schnell mit der Situation arrangieren. Auch, wenn ich mich zuhause teilweise wie ein Gast fühle, weil mir der Überblick fehlt, wie die Wäschesituation ist oder was sich noch im Kühlschrank befindet (lacht).

Hausgemacht: Du konntest also in deiner neuen Rolle auch von beruflichen Fähigkeiten Gebrauch machen. Ist es andersherum genauso, gibt es auch Dinge, die du als Mutter gelernt hast und ins Berufliche mit einbringen kannst?

Kingyi: Ja, definitiv. Ich bin viel geduldiger und auch offener geworden, kann auch mal Fünfe gerade sein lassen und habe gelernt, härter zu priorisieren, da ich meine Zeit besser einteilen muss. Außerdem hat mir die viermonatige Pause geholfen, Distanz zum operativen Geschäft zu gewinnen. Ich bin unfassbar stolz, wie sich die Menschen während meiner Abwesenheit entwickelt und gewisse Themen und Projekte vorangetrieben haben, es hat alles super funktioniert. Und eigentlich besser als mit meinem Dazutun! Durch meine Abwesenheit hatten sie mehr Verantwortung zu tragen und sind daran total gewachsen. So hatte ich einen klaren Cut und kann mich nun voll und ganz aufs Strategische konzentrieren.

Hausgemacht: Welche Aufgabe findest du schwieriger – einen Säugling zu betreuen oder ein Unternehmen zu führen?

Kingyi: Ein Unternehmen zu führen fällt mir definitiv leichter (lacht).  Ich bin bei der Arbeit generell sehr entscheidungsfreudig. Ich liebe es, Probleme zu lösen, indem ich Strukturen erkenne, daraus lerne und dadurch Spannungen löse. Das funktioniert bei einem Baby leider nicht so, gerade am Anfang ist eigentlich gar keine Systematik abzuleiten, die Aktionen und Reaktionen sind im ersten halben Jahr hoch variabel. Das Baby kann nicht mit mir sprechen und mir sagen, wo das Problem liegt, ich kann nur geduldig sein und die Situation anerkennen, wie sie ist. Ich musste viele – vor allem kleinere – Entscheidungen treffen, ohne ein Gefühl dafür zu haben, ob das die richtigen sind. Das fiel mir besonders am Anfang nicht leicht.

Hausgemacht: Was sind deine weiteren Ziele?

Kingyi: An der Frage scheitere ich regelmäßig, ich funktioniere tatsächlich nicht nach Zielen und setze mir keine. Mein Antrieb ist eher das Lernen an sich und die stetige persönliche Weiterentwicklung. Dabei ist es für mich selbstverständlich, immer mein Bestes zu geben. Ich habe gelernt, dass das okay ist – manche Menschen brauchen konkrete Ziele und andere werden von Problemen gezogen. Meine Leidenschaft ist es, Probleme zu lösen. Und natürlich gibt es Zustände, die erreicht werden sollen oder müssen, aber da muss keine Zahl bei stehen. Was einen antreibt, ist letztendlich egal.


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