KfW sorgt für Schlagzeilen: Gibt es 2020 Minuszinsen für Baufinanzierungen?
Lübeck, 26. November 2019. Die staatliche KfW-Bank sorgt Mitte November für Aufregung: Sie will ab 2020 Förderkredite mit Negativzinsen auf den Markt bringen. Was das genau bedeutet und ob diese Minuszinsen auch bei Baufinanzierern ankommen, erklären wir im aktuellen Zinskommentar.

Minuszinsen für Förderkredite: KfW setzt Banken unter Druck
Die KfW will im kommenden Jahr tatsächlich Kredite mit negativen Zinsen anbieten. Doch auch wenn viele angehende Eigenheimbesitzer bei dem Wort „Minuszinsen“ vermutlich hellhörig geworden sind, zumindest vorerst werden sie nicht direkt profitieren. Das Problem: Die durchleitenden Banken können den Minuszins IT-seitig noch nicht abbilden. KfW-Chef Günther Bräunig erklärte allerdings im Interview, dass bis zum Herbst 2020 alle Banken und Sparkassen in der Lage sein würden, den Negativzins an Endkunden weiterzugeben. Das hieße konkret: Wer eine Baufinanzierung abschließt, zahlt am Ende des Darlehensvertrages weniger zurück, als er aufgenommen hat. Er bekommt also – salopp formuliert – Geld geschenkt.
Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, hat Zweifel an dieser Prognose: „Die IT-Systemlandschaft der Banken ist teilweise extrem veraltet und für eine Umstellung auf Negativzinsen sind hohe Investitionsaufwände nötig. Dass alle Banken und Sparkassen bis Ende 2020 in der Lage sein werden, Minuszinsen abzubilden, bezweifle ich daher stark.“ Neumann vermutet hinter der Äußerung Bräunigs eher eine pragmatische Motivation: „Da die KfW ihre Mittel nicht direkt an Endkunden vergibt, ist sie auf die technische Abbildbarkeit ihrer Produkte in den Banksystemen angewiesen. Die Prognose und das Zeitfenster – „in einem Jahr“ – wurden meiner Meinung nach bewusst platziert, um den Druck auf die Banken zu erhöhen, die von der KfW avisierten negativen Zinsen auch ihren Privatkunden weiterzugeben.“
Minuszinsen auf dem Sparbuch: Zahlen Sparer bald drauf?
Die KfW war im November nicht die einzige Bank, die mit Minuszinsen Schlagzeilen machte. Eine aktuelle Untersuchung des Verbraucherportals biallo.de ergab, dass mittlerweile rund 150 Banken Negativzinsen verlangen, 52 davon auch im Privatkundenbereich. In der Regel gilt dabei noch ein Freibetrag für Spareinlagen von bis zu 100.000 Euro. Die Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck führte allerdings jüngst Minuszinsen für Neukunden schon ab dem ersten Euro ein. Von jedem Kunden, der neu Geld anlegt, verlangt die Volksbank nun 0,5 Prozent „Strafzinsen“. Während Baufinanzierer und Kreditnehmer von möglichen Minuszinsen profitieren, haben Sparer also weiterhin das Nachsehen. Denn: Baufinanzierer bekommen bei Minuszinsen Geld geschenkt, Sparer zahlen bei Minuszinsen drauf. Vorerst dürften die Minuszinsen auf kleinere Sparbeträge zwar nicht zur Norm werden, lohnen wird sich das Sparen aber auf absehbare Zeit auch nicht. Selbst ohne Negativzinsen entwertet die Inflation kontinuierlich das Geld, das wir auf der hohen Kante liegen lassen.
Rezession abgewendet: Wirtschaft wächst im Schneckentempo
Haarscharf ist Deutschland im dritten Quartal 2019 an der Rezession vorbeigeschrammt: Entgegen der meisten, eher düsteren Prognosen wuchs die Wirtschaft um 0,1 Prozent, nachdem sie im zweiten Quartal um -0,2 Prozent geschrumpft war. Für eine Entwarnung oder gar eine Trendwende spricht das minimale Wachstum allerdings nicht: „Für den überraschenden Aufwind hat vor allem der private Konsum gesorgt. Das deutsche Exportgeschäft und die Industrieproduktion leiden weiterhin unter der schwächelnden Weltwirtschaft, dem Handelskonflikt zwischen den USA und China und dem drohenden Brexit-Chaos. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung die massiven Überschüsse der letzten Jahre nicht für Zukunftsinvestitionen in Bildung oder Infrastruktur genutzt hat und der Standort Deutschland langsam an Attraktivität verliert“, meint Michael Neumann. Beispiele für den Investitionsstau gibt es viele: So sind langsames Internet und Funklöcher nicht nur nervig, sondern behindern auch die wirtschaftliche Entwicklung, vor allem in ländlichen Regionen. Und was Investitionen in Bildung betrifft, liegt Deutschland mit 4,2 Prozent des BIP unter dem EU-weiten Durchschnitt von rund 5 Prozent. Spitzenreiter Dänemark investiert mit mehr als 7 Prozent sogar einen fast doppelt so hohen Anteil in die Qualifizierung der jungen Generationen.
Bauzinsen: vorerst keine Minuszinsen in Sicht
Anleger, die in die zehnjährige Bundesanleihe investieren, dürften sich an Minuszinsen mittlerweile gewöhnt haben. Seit über einem halben Jahr bewegt sich die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe unterhalb der 0-Prozent-Marke. Anleger leihen dem deutschen Staat also weiterhin Geld und erhalten in zehn Jahren weniger zurückgezahlt, als sie geliehen hatten. Zwar pendelt die Rendite seit ihrem absoluten Tiefstand von -0,72 Prozent im August wieder auf einem minimal höheren Niveau, eine dauerhafte Aufwärtsbewegung ist derzeit aber unwahrscheinlich. Der Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen bewegt sich seit mehreren Wochen konsequent seitwärts und liegt aktuell bei 0,46 Prozent (Stand: 26.11.2019). Kurz- bis mittelfristig dürften die Bauzinsen weiterhin um dieses Niveau herumpendeln.
Und wie geht es 2020 weiter? Sollten die wirtschaftlichen Unsicherheiten und die Konjunkturflaute anhalten oder gar zunehmen, dann könnten die Banken im kommenden Jahr tatsächlich gezwungen sein, Minuszinsen in ihren Systemen abbildbar zu machen. Ein positiver Ausgang des Brexits und der Handelskonflikte oder Reformen in wichtigen Ländern wie Deutschland oder Italien, könnten allerdings auch zu einer Stabilisierung der Wirtschaft und damit zu einer langsamen Normalisierung der Zinssituation führen. Mit einem geflügelten Wort zusammengefasst: Prognosen sind äußerst schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.